Worum geht es?
Es gibt viele verschiedene Kindersendungen im Fernsehen. Manche wollen Geschichten erzählen und unterhalten, andere verfolgen das Ziel der Meinungsbildung oder der Wissensvermittlung. Auch Mischformen sind verbreitet. Infotainment und Edutainment verbinden jeweils Unterhaltung mit Bildung und Information. Wir legen den Fokus auf Kindersendungen zur Wissensvermittlung. Einige Formate schauen wir uns genauer an. Wir finden heraus, wie sie funktionieren und welche Merkmale sie haben.
Du lernst konkret
- Du kennst einschlägige Kindersendungen mit dem Ziel der Wissensvermittlung.
- Du kannst unterschiedliche Formate unterscheiden und kennst wesentliche Merkmale.
- Du kennst die wichtigsten Bausteine von Wissenssendungen. Sie dienen dir als Inspiration für deinen eigenen Beitrag.
- Du suchst dir eine Kollegin oder einen Kollegen, mit dem/der du deinen eigenen Wissensbeitrag produzieren wirst.
- Du schaust dich nach geeigneten Themen für deinen Beitrag um.
Hintergrundinfos
Wer verstehen möchte, wie Kindersendungen mit dem Ziel der Wissensvermittlung funktionieren und welche Macharten es gibt, schaut sich am besten einige Beispiele an. Die Hintergrundinformationen helfen dir bei der Einordnung. Du kannst aber auch gleich zur Aufgabe wechseln und nur die Hintergrundinformationen anschauen, die du für die Aufgabe brauchst.
Sendungsformate
Non-Fiktionale Formate
Löwenzahn, die Sendung mit der Maus oder auch Wissen macht Ah! haben eines gemeinsam. Sie sind non-fiktional und beleuchten damit einen echten Wirklichkeitsausschnitt, ein Thema oder ein gegebenes Phänomen. Es gibt auch rein fiktionale Formate zur Wissensvermittlung, die wir hier aus pragmatischen Gründen jedoch ausser Acht lassen.
Non-fiktionale Wissenssendungen arbeiten in der Regel mit journalistischen Methoden.
Es wird beispielsweise recherchiert, Schauplätze werden mit dem Ziel der Berichterstattung aufgesucht, Expert*innen werden in Interviews befragt und das Thema wird aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Magazinsendungen
Viele Wissenssendungen sind Magazinsendungen. Es gibt eine Moderation, die mehrere vorproduzierte Einzelbeiträge jeweils ankündigt und abmodiert und damit durch die Sendung führt. Wissen macht Ah! ist ein klassisches Studiomagazin. D.h. das Moderationsduo moderiert die Beiträge im Studio an und führt zwischendurch auch mal kleine Experimente durch. Es gibt aber auch Magazine, die nicht im Studio, sondern an realen Schauplätzen moderiert werden. Ein bekanntes Beispiel sind die Sendungen von Checker Tobi, wie das folgende Video zeigt.
Wir werden gemeinsam eine klassische Studiomagazin-Sendung mit vorproduzierten Beiträgen zu unterschiedlichen Themen entwickeln. Dies ist eine pragmatische, keine inhaltliche Entscheidung.
Sendungen mit Rahmenhandlung
Die Sendung Löwenzahn ist kein Magazin. Dort werden zwar auch vorproduzierte, thematisch zugespitzte Beiträge gezeigt, diese sind aber in eine Rahmenhandlung eingebunden. Die Hauptperson (in diesem Fall Peter Lustig oder sein Nachfolger Fritz Fuchs) muss ein Problem lösen und erlebt dabei verschiedene, für das jeweilige Thema relevante Situationen. Das Wissen, das für das Verständnis des Themas erforderlich ist, wird in mehreren Beiträgen und Erklärstücken aufgebaut. Schau dir am besten ein Beispiel an.
Protagonist*innen
Protagonisten sind Figuren, die in Wissenssendungen auftreten. Sie sind wichtig, damit sich die jungen Zuschauer*innen mit konkreten Personen identifizieren können. Über alle Sendungsformate hinweg haben sich verschiedene Typen von Protagonisten etabliert. Wir versuchen uns an einer Auslegeordnung.
Rasende Reporter*innen
Der rasende Reporter oder die rasende Reporterin ist extrovertiert, neugierig und will den Dingen auf den Grund gehen. Dazu geht sie zum Ort des Geschehens und ist dort die Hauptperson, die Sachen ausprobiert, sich Dinge erklären lässt und dem Publikum die eigenen Erkenntnisse auf witzige und verständliche Weise vermittelt. Rasende Reporter*innen stellen häufig Fragen, die Kinder genauso stellen würden. Dadurch nehmen sie die Sichtweise des jungen Publikums ein und eignen sich hervorragend als Identifikationsfiguren.
SRF: Traumberuf Radiomoderatorin
Die ersten 120 Sekunden des SRF-Videos zeigen eine rasende Schülerreporterin in Aktion.
Der naive Tollpatsch
Der naive Tollpatsch kann männlich oder weiblich sein. Er/sie ist liebenswert, harmlos, will nur das Beste und macht vieles falsch. Seine Ahnungslosigkeit und Unbeholfenheit führen dazu, dass er/sie sich Probleme einhandelt, die dann gelöst werden müssen. Diese Figur kommt häufig in Sendungen mit Rahmenhandlung vor. Manchmal haben aber auch rasende Reporter*innen Züge des naiven Tollpatschs.
Die Figur des Tollpatsches eignet sich wunderbar als Identifikationsobjekt für Kinder, die sich Erwachsenen gegenüber im Alltag häufig ähnlich unbeholfen fühlen.
Viele Kinder folgen gerne einem naiven Tollpatsch und dessen Erkenntnisprozess.
Checker Can – Der Hygiene Check
Willi wills wissen – Clowns
Das Moderationsduo
Studio-Moderation wird oft als Co-Moderation präsentiert. Dabei haben die Moderator*innen häufig gegensätzliche Eigenschaften. Mann / Frau, temperamentvoll / eher gelassen, Theorie-Nerd / eher praktisch orientiert, attraktiv / naja, gross / klein / unterschiedliche Herkunft, etc.. Damit sollen die Bandbreite des Kinderpublikums abgebildet und möglichst viele Identifikationsmöglichkeiten geschaffen werden. Oft ist die Aufgabenverteilung klar. Eine stellt die Fragen, die andere Person beantwortet sie. Dadurch ergibt sich eine Art abwechslungsreicher Lern-Dialog, der von den Kindern mitverfolgt werden kann. Ein Beispiel aus der Sendung Wissen macht Ah!.
Natürlich neckt sich ein Moderationsduo gelegentlich, was zu lustigen Situationen führt und bei vielen Kindern gut ankommt.
Expert*innen
Expert*innen sind wichtig, da Kinder sie ernst nehmen und ihnen entsprechend Fachkompetenz unterstellen. Je nach Thema können unterschiedliche Arten von Expert*innen auftreten. Oft sind es Berufsprofis (z.B. Feuerwehrleute, Stuntmen/-women, Ingenieurinnen) oder Wissenschaftler (…) oder Augenzeuginnen, die bei einem Ereignis dabei waren (z.B. bei historischen Themen).
Puppen
Seit der Muppetshow und der Sesamstrasse sind Puppen im Kinderfernsehen nicht mehr wegzudenken. Puppen bieten sich auch in Wissenssendungen als Sidekicks an. Sie können dumme Fragen stellen, sich daneben benehmen und niemand nimmt es ihnen übel.
Hier ein Beispiel aus der Sendung «Olis wilde Welt – Leoparden»:
Kinder
Damit die Zielgruppe selbst auch Teil der Sendung ist, werden oft Kinder eingebunden. Die Rolle dieser Kinder ist je nach Sendung unterschiedlich. Manchmal sind sie Expert*innen für ein Thema (häufig im Bereich Sport), manchmal sind sie Protagonisten, die selbst eine Geschichte erleben und Dinge ausprobieren.
Gwunderfitz – Wie funktioniert ein Dampfschiff?
Wow – Die Entdeckerzone – Hebelwirkung
Typische Teile von Wissenssendungen
In Wissenssendungen für Kinder tauchen gewisse Bestandteile häufig auf. Die Zusammensetzung variiert von Format zu Format. Im Folgenden ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Realfilm und Trickfilmsequenzen
Ein Realfilm arbeitet mit realen Schauspieler*innen, die in einer tatsächlich existierenden Umgebung gefilmt werden. Ein Animations- oder Trickfilm wird entweder künstlich erzeugt (durch Zeichnung oder am Computer) oder es wird durch Anwendung von bestimmten Tricktechniken (z.B. Stopmotion) in das reale Filmmaterial eingegriffen. In vielen Kindermagazinsendungen wechseln sich Trickfilm- und Realfilmbeiträge ab. Manchmal werden sie auch innerhalb eines einzelnen Beitrags kombiniert.
Spielsequenzen
Spielsequenzen sind Realfilmpassagen, in denen Schauspieler*innen eine Situation spielen, die so oder so ähnlich passieren könnte oder tatsächlich passiert ist. Spielszenen findet man häufig in Wissensfilmen zu historischen Themen, wenn Situationen aus der Vergangenheit nachgestellt werden (Stichwort: Re-Enactment), um sie für das Kinderpublikum greifbar zu machen. Aber auch bei anderen Themen wird gerne zu diesem Stilmittel gegriffen, um die Inhalte auf unterhaltsame und attraktive Weise zu transportieren. Häufig sind Spielszenen humorvoll gestaltet und würden entspechend in das Genre Kurzfilmkomödie fallen.
Wissen macht Ah! Nutzungsbedingungen
Löwenzahn: Kofferverladung Flughafen
Erklärstücke
Ein Erklärstück ist ein Teil eines Beitrags (seltener ein ganzer Beitrag), in dem ein komplexer Sachverhalt mit Methoden der Vereinfachung und Visualisierung adressatengerecht erklärt wird. Erklärstücke unterscheiden sich häufig in formaler Hinsicht vom Rest des Beitrags. Sie sind oft als animierte Computergrafik produziert.
Experimente
Experimente kommen in allen Wissenssendungsformaten vor. Sie werden entweder im Studio oder vor Ort durchgeführt. Sie dienen meist der Veranschaulichung von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen. Es gibt aber auch Sozialexperimente, wenn zum Beispiel Gewaltsituationen im öffentlichen Raum gestellt werden, um herauszufinden, ob Passanten Zivilcourage zeigen (versteckte Kamera).
Willi wills wissen / Warme und kalte Luft (vor Ort)
Wissen macht Ah! Herbstlaub / Farben (im Studio)
Interviews und O-Töne
Das Interview ist ein wichtiger Baustein in vielen Wissenssendungen. Werden die richtigen Fragen gestellt, kann innerhalb kurzer Zeit viel Wissen von Expert*innen abgeholt und präsentiert werden. Tipps zur Vorbereitung und Durchführung von Interviews findet ihr [hier]. O-Töne (nicht zu verwechseln mit On-Tönen) sind einzelne Statements von Protagonisten, also keine ganzen Interviews mit Fragen und Antworten.
Screen Design Elemente
Screen Design Elemente sind künstlich d.h. mit Software erstellte grafische Elemente (s. Trickfilm), die im Beitrag oder in der Sendung regelmässig erscheinen. Das können kurze Trailer (meist zu Beginn einer Sendung), animierte Logos, Bauchbinden (Balken mit Informationen über die gezeigten Personen), Trenner (regelmässig zwischen den Beiträgen gezeigte Elemente) sein. Screen Design Elemente geben der Sendung / dem Beitrag den jeweils typischen Look und sind deswegen für das Branding entscheidend.
Off-Ton und On-Ton
Wenn der Sprecher oder die Sprecherin beim Sprechen im Bild zu sehen ist, dann wird dies als On-Ton bezeichnet. Wenn der Sprecher oder die Sprecherin nicht im Bild zu sehen und auch keine im Film agierende Person ist, dann handelt es sich um Off-Ton.
Off-Ton wird bei der Postproduktion nachträglich aufgenommen. On-Ton wird während der Aufnahme mitgeschnitten. In Kindersendungen wird unterschiedlich mit Off- und On-Ton umgegangen. Formate mit rasenden Reportern, die vor Ort Dinge erleben wollen und selbst handeln (z.B. Willi wills wissen), sind On-Ton-dominiert. Wobei Willi Weitzel, der Reporter von Willi wills wissen, zusätzlich auch mit Off-Ton arbeitet, indem er sein Handeln nachträglich kommentiert.
Die Sachgeschichten aus der Sendung mit der Maus sind dagegen fast durchgehend mit Off-Ton unterlegt. Wahrscheinlich erinnert ihr euch noch an die Stimme von Armin Maiwald. Ob nun Off- oder On-Ton oder eine Mischung aus beiden besser funktioniert, hängt von vielen Faktoren ab (z.B. Thema und vor allem von der sprechenden Person).
Man muss sich auf jeden Fall entscheiden, wie man sich zwischen Off- und On-Ton gestalterisch positioniert.
Infos zur Gestaltung von Off-Text findet ihr [hier].
Didaktische Prinzipien in Wissenssendungen
Anders als der Schulunterricht ist ein TV-Beitrag zur Wissensvermittlung nicht interaktiv gestaltet. Daher müssen die Produzent*innen einige didaktische Kniffe anwenden, um das Publikum bei der Stange zu halten und zum Mitdenken anzuregen. Im Folgenden eine Auswahl.
Relevante Fragen und Probleme
Wenn die Zuschauer*innen wirklich am Thema interessiert sind, ist die Bereitschaft, gedanklich dabei zu bleiben, prinzipiell hoch. Daher wählen die Macher*innen von Wissenssendungen gezielt Themen und Fragestellungen aus, die Kindern unter den Nägeln brennen.
Nachfragen und Paraphrasieren
Bei Formaten mit Reporter*innen vor Ort ist oft zu beobachten, dass die interviewten Profis nicht immer die Sprache der Kinder sprechen. In diesem Fall wird rückgefragt, so dass die Profis den Sachverhalt mit anderen Worten verständlich erklären, oder die/der Reporter*in «übersetzt» die Fachsprache in Alltagssprache. «Ah, also das bedeutet, dass …»
Humor
Humor ist ein Stilmittel, das bei Kindern besonders gut ankommt. Entsprechend häufig wird in die Humorkiste gegriffen. Folgende humoreske Formen können unterschieden werden: Witze, Running Gags, albernes und aufgedrehtes Verhalten, Wortwitz, lustige Verkleidungen, verrückte Bewegungen und Aktivitäten. Co-Moderationen bieten die grösste Steilvorlage für Humor.
Unwichtiges wird zelebriert
Viele Kinder lassen sich leicht und gerne ablenken. Das Prinzip der Ablenkung wird kurioserweise in einigen Kindersendungen gezielt aufgegriffen. Zum Beispiel werden Dinge gezeigt, die überhaupt nichts mit dem Thema zu tun haben. Das ist vergleichbar mit dem Erlebnis, wenn Kinder im Unterricht aus dem Fenster schauen und etwas Spannendes aber Unterrichtsfernes entdecken. Besonders häufig taucht dieses anti-didaktische Mittel in der Sendung mit der Maus auf. Gelegentlich dient es dazu, nach einer inhaltsdichten Filmsequenz für Entspannung zu sorgen.
Advanced Organizer und Kapitelstruktur
Am Anfang wird als (grafischer) Überblick gezeigt, welche Themen im Beitrag behandelt werden. Während des Beitrags werden die einzelnen Punkte dann in Kapiteln abgehandelt. Die Kapitel sind klar benannt und häufig durch Screendesign Elemente hervorgehoben: «Und jetzt kommen wir zum dritten und letzten Punkt: …»
Musik-Bett
Als Musik-Bett wird eine Soundspur bezeichnet, die eine Videosequenz musikalisch untermalt. Ihr seid euch sicher der emotionalen Wirkung von Musik bewusst und könnt nachvollziehen, dass es aus didaktischen Gründen manchmal sinnvoll sein kann, Musik einzusetzen. Häufig in Sequenzen, die weniger informationsdicht sind, so dass die Musik nicht vom Inhalt ablenkt.
Aufgabe
Analysiert die Machart einer Wissenssendung für Kinder
Tut euch zu zweit zusammen. Wählt eine Wissenssendung im Abschnitt Ressourcen und Links aus (beziehungsweise: ihr bekommt eine Wissenssendung zugeteilt, damit wirklich alle Beispiele angeschaut und später vorgestellt werden). Schaut euch die Sendung gemeinsam an.
Nun kommt die Analysephase. Ladet euch dieses Dokument herunter. Darin findet ihr ein kleines Analyseraster mit Leitfragen. Versucht eure Wissenssendung auf die Leitfragen hin zu prüfen und haltet eure Ergebnisse im Dokument stichwortartig fest. Im Anschluss habt ihr 5 Minuten Zeit, um den anderen eure Wissenssendung kurz vorzustellen, einen 60sekündigen Ausschnitt zu zeigen und die wichtigsten Merkmale zu benennen.
Ladet euer Dokument anschliessend auf [ILIAS] hoch. Benennt die Datei so: nachname1_nachname2_porträt.doc
Ressourcen und Links
Wie funktioniert ein Scheinwerfer? (Figurentheater St.Gallen)
Wie funktioniert ein Computer? (Sendung mit der Maus)
Kriminalistik (Löwenzahn)
Wer biegt den Achter in die Bahn? (Willi will’s wissen)
Ein Pfund Gehacktes (Wissen macht Ah!)
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Analysematerialien für die Praxis
Dokument zur Analyse von Wissenssendungen (Sek II/Tertiäre Bildung)
Challengecard «Analyse von Kinderwissenssendungen» für den Unterricht (ab Kl. 4)
Last modified: 3. November 2022